Ziegelrote Stadtbausteine
- Text: Brita Köhler
- Fotos: Stefan Müller
Die Aufgabe überdimensionierter Bahnverkehrsflächen und Häfen hinterlässt vielerorts neu zu bespielende Brachen – so auch in Frankfurt am Main, wo der Bedarf an neuem Wohnraum und die Schaffung neuer Quartiersqualitäten die dringlichsten Probleme bilden.
Auf einem ehemaligen Bahngelände südlich des Güterbahnhofs Ost hat sich in den letzten zwanzig Jahren ein neues Quartier in Nachbarschaft zur Europäischen Zentralbank, zum Mainufer und dem Osthafen entwickelt. Neben Gewerbe- und Bürobauten hält nun das Wohnen Einzug.
Am Anfang der Jahrtausendwende legten neben Ortner & Ortner Baukunst die Planer Christoph Mäckler, Landes & Partner, KSP sowie Allmann Sattler Wappner einen gemeinsamen städtebaulichen Entwurf für das 40.000 Quadratmeter große Areal namens „Stadtwerk“ vor. Die Weiterentwicklung scheiterte an unterschiedlichen Interessen der Investoren und der sich ändernden Marktsituation für Gewerbeimmobilien wie auch für Gastronomie. Die ersten Bebauungsmodule, nun unter dem Namen „Schwedler Carré“, folgten aber weiterhin der städtebaulichen Ursprungsidee. Ein Zusammenspiel aus Plätzen, Gassen und Straßen markiert und verbindet die einzelnen Bebauungsbereiche. Im Osten des Schwedler Carrés entstand mit einem großen Supermarkt sowie der EZB Kita der erste Bauabschnitt.
Max Baum beauftragte die Architekturbüros Karl Dudler, Stefan Forster und O&O mit der städtebaulichen Planung für zwei weitere Bauabschnitte.
Im zweiten Schritt wurden drei Bürogebäude realisiert, darunter O&O‘s monolithischer Ziegelbau „Starcom“. Werbeund Kommunikationsagenturen zogen ein. Der Projektentwickler Max Baum beauftragte die Architekturbüros Karl Dudler, Stefan Forster und O&O mit der städtebaulichen Planung für zwei weitere Bauabschnitte – die „Schwedler Gärten“ und das „Great East“, beides reine Wohnviertel. Die Architekten entschieden sich für einen großen durchlässigen Wohnblock mit innenliegendem Hof und zur Straße hin ablesbaren Einheiten sowie einem langen Riegel parallel zur Bahntrasse. Der Autoverkehr wird schlaufenartig durch das Areal gelenkt, vorbei an Zu- und Ausfahrten der gemeinsamen Tiefgarage. Ein nach dem ersten Präsidenten der EZB, Wim Duisenberg, benannter Platz verbindet die anliegenden Büros mit dem Wohnquartier.
Die orangerote Ziegelfarbe wurde eigens für das Projekt im Schwedler Carré entwickelt.
Die beteiligten Architekten teilten die Bauvorhaben untereinander auf und einigten sich auf Richtlinien für die Gestaltung. Ein ausgewogener Mix aus den Fassadenmaterialien Ziegel, Naturstein und Putz zieht sich durch das ganze Quartier. Die jeweiligen Ausdifferenzierungen und die Freisitzqualitäten sind unterschiedlich. Nicht jede Erdgeschoss-Wohnung bietet die gewünschte Privatsphäre.
O&O setzt Ziegel als wiederkehrendes Material ein, in Anklang an die lokalen Industriebauten und Produktionsstätten wie dem Mousonturm, eine ehemalige Seifenfabrik im benachbarten Stadtteil Bornheim. Neben einem schlichten, soliden Wohngebäude mit Kita im Erdgeschoss und mit geschützten Loggien zur Ferdinand-Happ-Straße haben O&O das Rückgrat des Quartiers realisiert: einen rund 100 Meter langen Riegel an der Bahntrasse. Das Wohngebäude steht auf einer oberirdisch zweigeschossigen Parkgarage, die sich gegen den Bahndamm stellt. Erst darüber wird gewohnt. Der Bau lagert auf einer Elastomer-Sohle, um die Vibrationen des Bahnverkehrs abzufedern. Kostenintensiv, aber notwendig.
Der lange Gebäuderiegel gliedert sich in vier ablesbare Einheiten: Zwei Kopfbauten und ein Doppelhaus-Motiv in der Mitte. Die Kopfbauten sind so angeordnet, dass man sie von der Gref-Völsing-Straße und vom Wim-Duisenberg-Platz aus hervorragend sieht. Durch diese Blickbezüge sowie durch Staffelungen ist eine spannungsvolle Raumtiefe entstanden. Das Kopfgebäude im Westen leitet über gerundete Loggien zur Bahn hin, die Überhöhung des letzten Obergeschosses unterstützt den kraftvollen Auftritt des Gebäudes, das hier wie ein Schiffsbug wirkt.
Der zweigeschossige Sockel zeigt eine lebendige Abfolge von Häusern, Zugängen, Öffnungen und Rücksprüngen. Zwischen Straße und Gebäude bildet eine schmale Schicht aus Cortenstahl-gefassten Pflanzflächen und Lüftungskästen einen Puffer. Nicht auf den ersten Blick erkennbar, ist die Parkgarage hinter der Fassade. Durch die porösen Ziegelwände – sogenannte „spanische Wände“ – ist auch der Blendschutz für die Nachbarn gegenüber optimal gelöst.
Alle Treppenhäuser und Aufzüge sind zur Bahn hin orientiert. Die 94 Mietwohnungen sind als 4- bzw. 5-Spänner organisiert, von Norden nach Süden durchgesteckt oder mit Orientierung nur nach Süden ausgerichtet. Zur Bahntrasse angeordnet sind Küchen und Schlafzimmer. Die Belüftung wird durch ein speziell konzipiertes Schallschutzfenster ermöglicht – der untere Fensterflügel mit vorgesetztem Brüstungsglas lässt sich öffnen und bietet Lärm- und Rausfallschutz. Die Badezimmer sind darüber hinaus mit Schalldämmlüftern versehen, die Wohnungen an den Stirnseiten mit Schallschutzloggien.
Die Loggien der Längsseite richten sich zum Blockinneren und zur Südsonne aus, sie geben den sonst funktionalen Wohnungen zusätzliche räumliche Qualität. Die Wärme des Ziegels strahlt nach innen ab und setzt sich in gleichfarbigen Putzflächen fort. Auf die gleiche Gestaltung der Loggien trifft man auch im dazugehörigen, kleineren Wohnhaus an der parallel verlaufenden Ferdinand-Happ-Straße.
Die Materialwahl beider O&O Wohnbauten reduziert sich in den Fassaden auf Ziegel, Betonwerkstein, Stahlgeländer, Putz, grau folierte Fenster und Holz für die Eingangstüren. Weniger ist mehr – die Gebäude strahlen Ruhe, Solidität und Zeitlosigkeit aus.
Für den leitenden Architekten Markus Penell ist die Idee eines Ziegels, „der mit diesem Thema lebendig umgeht, der selbst in Erscheinung tritt, als wenn er von der Sonne gebrannt worden wäre und trotz seiner trägen Masse im Sonnenlicht zu glühen beginnt“, Wirklichkeit geworden. Die orangerote Farbe wurde eigens für das Projekt im Schwedler Carré entwickelt. Eingesetzt wurde der Ziegel in vielen Variationen: als Vollstein, Klinkerfertigteil und Riemchen sowie farbig verfugt. Ob im Wilden Verband, als ein Stein tiefes Relief im Flämischen Verband oder als perforierte Wand – die Körnung und Ornamentik des Ziegels machen die neuen Wohngebäude zu individuellen Stadtbausteinen.
Die Loggien der Längsseite richten sich zum Blockinneren und zur Südsonne aus.
Gespannt blickt man auf das noch im Bau befindliche Wohnhochhaus, das O&O Baukunst zurzeit im letzten Bauabschnitt des Schwedler Carrés realisiert: ein sechzehngeschossiger, circa sechzig Meter hoher gestaffelter Baustein aus Betonfertigteilelementen mit Ziegelfassade. Die Architekten sprechen von einer komplizierten Projektierung und vielen Überarbeitungen, sehen das Gebäude dennoch als einen markanten Schlussstein an, wegweisend in seiner Beschaffenheit unter Verwendung von Ziegel, als auch in der reinen Belegung mit Mietwohnungen. Dass auch angrenzend geförderter Wohnungsbau umgesetzt wird, lässt auf ein belebtes und durchmischtes neues Wohnquartier hoffen.
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